Ameland in Kriegszeiten

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An dem Tag, an dem die Deutschen in die Niederlande einfielen, hatte Ameland nicht viel zu befürchten. Das genaue Datum der Machtübernahme ist nicht bekannt. Diese fand jedoch vor dem 17. Mai 1940 statt. An diesem Tag kamen ungefähr sechzig niederländische Soldaten, die auf Ameland stationiert waren, in Leeuwarden an. Sie waren von den Deutschen gezwungen worden, die Insel zu verlassen. Die Machtübernahme verlief den Überlieferungen und
Fotoalben nach ruhig.

Deutsche und niederländische Soldaten posieren freundlich für ein Foto am Ende des Strandweg in Nes. Die Strandpavillons Scheltema und Steinvoorte sind gerade noch erkennbar.

Nach der Kapitulation

In den Tagen nach der Kapitulation gab es keine besonderen Vorkommnisse. Schon bald zeigten sich auch wieder die ersten Urlaubsgäste auf der Insel. Auf Ameland sei es sicherer als an jedem anderen Ort im Land, schrieb der mennonitische Pfarrer W. Banga in der Leeuwarder Courant. Er verbrachte einen Kurzurlaub auf der Insel, hörte nachts ab und zu Flugzeuge überfliegen und sah, wie angespülte Seeminen unschädlich gemacht wurden, genoss jedoch ansonsten einen ziemlich ruhigen Aufenthalt.

Regelmäßig wurden an den Stränden Amelands Seeminen angespült, die fachmännisch unschädlich gemacht wurden.

Ab dem 31. Mai wurde es für Urlauber jedoch schwierig, auf die Insel zu gelangen. Bei einem britischen Luftangriff wurde die Fähre ‘Ameland’, die vor Nes lag, fast vollständig zerstört. Auch die Landungsbrücke selbst erlitt großen Schaden. Ab Ende August beschränkte sich der Personenverkehr auf Soldaten und Beamte. Ohne Ausweis war es nicht länger möglich, die Insel zu besuchen oder zu verlassen.

Küstenschutz und Flugabwehr

Dass Ameland, genau wie die anderen Watteninseln, von strategischer Bedeutung war, zeigte sich bereits mit dem Erscheinen deutscher Marinesoldaten direkt zu Beginn des Krieges. Sie bemannten die Bunker, die im Laufe des Krieges auf Ameland für die Verteidigung von Küste und Luftraum gebaut wurden.

Die größte Stellung wurde am westlichsten Punkt der Insel, bei Hollum, errichtet. Die Wohngebäude, die bei der sogenannten Flakbatterie gebaut wurden, waren so komfortabel, dass sie nach dem Krieg noch viele Jahre als Jugendherberge dienten.

Um die Küste von der Flakstellung bei Hollum aus gut überwachen zu können, nutzten die Deutschen dieses für die damalige Zeit moderne Fernrohr. Nach dem Krieg machten die Leuchtturmwärter von Ameland noch viele Jahre dankbar Gebrauch davon.

Die deutschen Soldaten standen überall parat. Auch an diesem Bunker in den Dünen bei Bure Blinkert.

Kriegsgräber auf Ameland
Genau wie auf anderen Watteninseln wurde auch auf Ameland eine Radaranlage installiert. Diese spielte jedoch keine so große Rolle, wie die Radarposten auf Terschelling und Schiermonnikoog, die für beachtliche Verluste auf Seiten der Alliierten verantwortlich waren. Doch auch Ameland wurde regelmäßig mit Luft- und Seekämpfen konfrontiert. Die Zahl der Abstürze auf der Insel selbst hielt sich in Grenzen, doch rund um Ameland fielen unzählige Opfer. Vor allem nach der Schlacht von Dünkirchen wurden an den Stränden Amelands viele sterbliche Überreste englischer und französischer Soldaten angespült.

Nach der Schlacht von Dünkirchen (27. Mai - 4. Juni 1940) spülten überall entlang der niederländischen Küste gefallene Soldaten an. Auch an den Stränden  von Ameland.

Die Besatzung

Während der Besatzungsjahre bemühten sich auf Ameland alle, sowohl die Bewohner als auch die Deutschen, um eine lebenswerte Situation. Überall in den Niederlanden waren die Aktivitäten auf militärischer Ebene begrenzt, und auch Ameland bildete hier keine Ausnahme. Es blieb genügend Zeit für Entspannung und Raum für die Begegnung zwischen Inselbewohnern und deutschen Soldaten.

Genügend Zeit für Entspannung, Raum für Begegnungen, wie hier zwischen Kindern in Nes und dem deutschen Soldaten zu Pferd, im Juli 1941.

Deutsche Soldaten entdeckten den Charme von Ameland und erholten sich am Strand zwischen Nes und Buren.

Bewohner und Besatzer waren sich einig, den ‘lieben Frieden’ auf Ameland zu bewahren. Es war nicht ungewöhnlich, gemeinsam einen Drink auf der Terrasse des Hotel de Boer, später bekannt als Hotel de Jong, zu genießen.

Tödlicher Zwischenfall
Passierte auf Ameland also gar nichts? Doch. 1941 gab es einen schmerzlichen Vorfall, der im schroffen Gegensatz zum ansonsten so ruhigen alltäglichen Leben auf Ameland stand. Minne Keestra, geboren und aufgewachsen auf Ameland, berichtete jedem, der es wissen wollte, von den Gerüchten, die er bei Radio Oranje hörte. Ein deutscher Soldat wollte wissen, wie er an diese Informationen komme. Doch Keestra weigerte sich, das preiszugeben. Denn der Radiosender Radio Oranje („Die Stimme der kämpfenden Niederlande“) war verboten.

 

Der Soldat drohte, Keestra zu erschießen. Dieser weigerte sich jedoch beharrlich und bezahlte schließlich mit seinem Leben. Die Insel stand unter Schock: Das war genau das, was alle von Anfang an vermeiden wollten. Der Soldat wurde von der Insel verbannt und zur Strafe an die berüchtigte Ostfront geschickt. Diese Geschichte zeigt einmal mehr, wie sehr auch den Deutschen an dem ‘lieben Frieden’ gelegen war.

 

Gefallene von Ameland
Neben dem grausamen Tod von Minne Keestra fielen noch mehr (ehemalige) Bewohner Amelands dem Krieg zum Opfer. Viele Männer verbrachten den Großteil der Kriegszeit auf See, was ihren Angehörigen in der Heimat große Sorge bereitete. Insgesamt kamen sechzehn von der Insel stammende Seemänner ums Leben. Darunter Jan J. van den Brink aus Nes. Er fiel während Kampfhandlungen auf See im Mai 1940. Auch Jacob Vink kam ums Leben. Er war als Matrose auf dem Kriegsschiff ‘De Ruyter’ an der Schlacht in der Javazee beteiligt.

Kollaboration und Widerstand

Von einigen Amelandern wusste man, dass sie Mitglied der Nationaal-Socialistischen Beweging (NSB) waren. Einer von ihnen war Bürgermeister Bouk Bakker, der nicht von der Insel stammte. Er bekleidete das Amt von 1942 bis 1945 und war bei den Bewohner nicht sehr beliebt. Man schätzte ihn jedoch für seine Bemühungen, so viele Amelander wie möglich vor dem Arbeitseinsatz zu bewahren. Nach der Befreiung wurde Bakker gefangen genommen und in ein Internierungslager in Leeuwarden überführt.

 

Untergrundbewegung
Selbst die Untergrundbewegung konnte auf der Insel an einigen Orten aktiv sein, da es außerhalb des Sperrgebiets noch genügend Bewegungsfreiheit gab. Die Untergrundbewegung half vor allem Menschen, die untertauchen mussten. So auch einem jüdischen Mädchen aus Amsterdam. Darüber hinaus sammelte die Bewegung Informationen, die an Widerstandsgruppen auf dem Festland weitergeleitet wurden.

 

Ungehorsame Börtschiffer
Auch die Börtschiffer von Ameland, die von der Ballumerbocht aus wöchentlich nach Harlingen fuhren machten sich wenig aus den Vorschriften der Besatzer. Vor allem Cor und Hans de Bruin sowie Gooi Visser nutzen jede Möglichkeit, den Deutschen Sand in die Augen zu streuen. So wurden nicht nur heimlich geschlachtete Schweine entgegen der Rationierungsbestimmungen auf die andere Seite gebracht, sondern sogar Waffen auf die Insel geschmuggelt. Die Männer dachten kaum daran, dass sie damit ihr eigenes Leben aufs Spiel setzten.

Befreiung

Die Amelander sahen die niederländische Flagge auf der anderen Seite auf dem Turm von Holwerd schon wehen, als die Insel noch immer besetzt war. Doch die deutschen Soldaten ließen sie wohlwollend gewähren, als die Bewohner begannen, das Ende des Krieges zu feiern. Augenzeugen zufolge bildeten die Deutschen und die feiernden Amelander eine große friedliche Gruppe. Die deutschen Soldaten wollten nur noch Eines: so schnell wie möglich nach Hause.

Von den NBS, den niederländischen Inlands-Streitkräften, die jetzt auf der Insel auftauchten, wollten sie jedoch nicht entwaffnet werden. Die NBS, von einigen Amelandern ein ‘chaotischer Haufen’ genannt, übernahm am 11. Mai auf Anweisung des Alliierten Kontrollrats die Zivilgewalt. Am 3. Juni kamen die Alliierten als Befreier an und verließen die deutschen Truppen die Insel, um über Terschelling nach Bremerhaven zu fahren.

Am 3. Juni nahmen sie Abschied von Ameland. Der Koch der III Batterie 246, ein Mann namens Bomers, tat das auf diese originelle Weise.

Mit der Ankunft der NBS auf dem Fährdamm bei Nes stand die Befreiung Amelands fest.

Die meisten Bunker auf Ameland verschwanden nach dem Krieg. Sie wurden teilweise abgerissen oder, vor allem im Westen der Insel, unter dem Dünensand begraben. Im ehemaligen Küchenbunker der Batterie befindet sich heute das Bunkermuseum.

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