Während in den Niederlanden am 5. Mai die offizielle Befreiung gefeiert wurde, war das im Wattenmeergebiet nicht überall der Fall. Die Einwohner veranstalteten zwar vereinzelt Umzüge, doch alles stand noch unter deutscher Aufsicht. Die Befreiung des Wattenmeergebietes verlief nicht synchron mit der Befreiung der restlichen Niederlande, und teilweise ging es hier sehr chaotisch zu.
Am 14. September 1944 beginnt die Befreiung der Niederlande in Maastricht. Anschließend befreien die alliierten Truppen die südlichen Provinzen. Die Operation Market Garden soll am 17. September einen Brückenkopf bei Arnheim realisieren, was jedoch fehlschlägt. Die Deutschen schlagen hier die Alliierten. Erst Anfang 1945 gelingt es den Alliierten, den Rhein zu überqueren und einen Brückenkopf zu bilden. Der Westen der Niederlande leidet dann infolge der Nahrungsmittelknappheit Hunger. In den Städten ist die Situation am schlimmsten.
Es ist das 2. Kanadische Armeekorps, das am 28. März den Vormarsch Richtung Norden beginnt. Anfang April erreicht das Korps die Grenzen von Friesland und Groningen, bevor die ersten kanadischen Einheiten am 15. April in Leeuwarden ankommen. Die Stadt Groningen wird zu diesem Zeitpunkt noch heftig umkämpft. Doch am 18. April wird auch diese Stadt befreit.
Richtung Delfzijl
Anschließend rücken die Kanadier in Richtung Delfzijl vor. Der dortige Hafen ist wichtig für die Anfuhr von Waren aus Übersee sowie für den Angriff auf Emden. In Delfzijl und bei Nansum und Termunten stehen schwere Flakbatterien, und zwar vom schwersten Kaliber, das in den Niederlanden aufgestellt ist: 12,8 cm. Sie schützen die Stadt Emden vor Luftangriffen. Doch die Flakartillerie kann auch als Flachfeuergeschütz eingesetzt werden. In der Luft hat dieses Geschütz eine Reichweite von fast fünfzehn Kilometern, doch bei der Nutzung als Flachfeuergeschütz können mehr als zwanzig Kilometer erreicht werden.
Die Schlacht um Delfzijl
Die Schlacht um Delfzijl dauert vom 23. April bis zum 2. Mai. Bei diesen Kämpfen verlieren 88 Bürger, 102 Kanadier und 185 deutsche Soldaten ihr Leben. Die umliegenden Dörfer werden schwer beschädigt und die Bevölkerung sieht sich zur Flucht gezwungen. Hunderte von Menschen versuchen, sich in Richtung des bereits befreiten Finsterwolde und nach Winschoten in Sicherheit zu bringen.
Richtung Abschlussdeich
In Friesland ziehen die kanadischen Truppen von Sneek aus, das am 15. April befreit wird, Richtung Abschlussdeich. Hier wurden im Mai 1940 Kämpfe ausgetragen, und auch 1945 ist das wieder der Fall. Kornwerderzand ist ein schwer zu überwindendes Hindernis. Am 18. April wird die Stellung von Wons hart umkämpft. Deutsche Verteidiger durchlöchern mit einer Flugabwehrkanone drei kanadische Panzerfahrzeuge. Fünf Besatzungsmitglieder kommen dabei ums Leben, drei werden verletzt. Aber am Ende müssen die Deutschen der kanadischen Übermacht weichen und ergeben sich. Die Stellung von Wons fällt, doch die Kanadier können den Abschlussdeich noch nicht überqueren. Sie können nicht an der Stellung von Kornwerderzand vorbei und müssen bis zum 5. Mai warten.
Über den Abschlussdeich
Danach können die Kanadier aufbrechen und den Abschlussdeich überqueren, um Teile Nordhollands zu befreien. Doch für die Einwohner von Wieringermeer kommen sie zu spät. Dort haben die Besatzer am 17. April den IJsselmeerdeich gesprengt und den Polder überflutet. Erst am 8. Mai erreichen drei kanadische Panzerfahrzeuge über Julianadorp die Stadt Den Helder. Doch nur wenige Leute säumen die Straßen, um den Befreiern zuzujubeln. Schließlich ist die Stadt entvölkert. Vor dem Rathaus begrüßen Mitglieder der Inlands-Streitkräfte die kanadischen Befreier.
Auf dem Festland feiert man bereits die Befreiung, doch auf den Inseln lässt diese noch auf sich warten. Die Inseln haben für die Befreier keine Priorität. Abrüstung und Abzug der deutschen Truppen werden hinausgeschoben.
Übergabe auf Terschelling
Am 17. April lässt der Inselkommandant zwölf Einwohner wegen des Verdachts der Beteiligung am Widerstand festnehmen. Die Deutschen sind schockiert von den wilden Geschichten über Racheakte durch Widerstandskämpfer auf dem Festland. Selbst nach dem 5. Mai sind die Deutschen auf Terschelling noch bewaffnet und gibt es einige Vorfälle. Natürlich hat die Inselbevölkerung inzwischen genug von der Anwesenheit der Besatzer, doch Hilfe vom Festland lässt auf sich warten. Die Kanadier sind der Meinung, genug Opfer gebracht zu haben. Erst am 21. Mai kommen die ersten britischen und kanadischen Offiziere auf die Insel. Die Übergabe wird schließlich von englischen Truppen durchgeführt, die am 29. Mai mit zwei Schiffen auf der Insel ankommen. Die 1.200 Deutschen werden entwaffnet, und am 5. Juni verlassen die letzten die Insel, um mit mehreren Schiffen nach Bremerhaven zu fahren. Die Besatzer Amelands fahren mit eigenen Schiffen nach Terschelling, um anschließend auch nach Bremerhaven übergesetzt zu werden.
Abzug von Vlieland
Am 31. Mai setzen britische Soldaten von Terschelling nach Vlieland über, um dort die deutschen Truppen zu entwaffnen und ihren Abzug in die Wege zu leiten. Am 3. Juni findet die Übergabe statt und am 11. Juni fahren die Deutschen nach Terschelling und von dort aus weiter nach Bremerhaven.
Freudenfest auf Ameland
Die Bevölkerung Amelands sieht die Flagge auf dem Turm von Holwerd bereits wehen. Auf dieser Insel war das Verhältnis zu den deutschen Soldaten sehr entspannt. Die Soldaten wurden in den letzten Kriegsjahren durch immer ältere Männer abgelöst. Fanatisch geht es hier auf jeden Fall nicht mehr zu und die Amelander beginnen zu feiern. Die Insel ist zwar noch nicht befreit, doch der Krieg ist vorbei. Augenzeugen zufolge bildeten die Deutschen und die feiernden Amelander eine große friedliche Gruppe. Die deutschen Soldaten wollen natürlich nach Hause, doch sie wollen auch nicht von den niederländischen Inlands-Streitkräften (NBS) auf der Insel entwaffnet werden. Dieselben Augenzeugen beschreiben: ‘Das war vielleicht ein chaotischer Haufen’. Die NBS übernimmt am 11. Mai auf Anweisung des Alliierten Kontrollrats die Zivilgewalt. Am 3. Juni kommen die kanadischen Befreier an und die deutschen Truppen verlassen die Insel, um über Terschelling nach Bremerhaven zu fahren.
Scholtenhuis auf Schiermonnikoog
Auf Schiermonnikoog läuft alles etwas anders. Am 15. April, als die Stadt Groningen noch stark umkämpft wird, flüchten 125 Mitglieder des Sicherheitsdienstes und der Sicherheitspolizei aus dem berüchtigten Scholtenhuis in Groningen. Dort wurden Gefangene während des Krieges gefoltert, viele von ihnen mit tödlichen Folgen. Die SD- und SS-Agenten überqueren in Booten das Wattenmeer und legen auf Schiermonnikoog an, wo sie nicht sehr willkommen sind. Der Inselkommandant lässt sie auf einem Bauernhof weit außerhalb des Dorfes unterbringen. Man fürchtet die wegen ihres abscheulichen Rufes bekannten SD- und SS-Agenten, und lässt sicherheitshalber Kanonen auf den Bauernhof ausrichten. Wenn die Männer aus dem Scholtenhuis Probleme machen, sollte auf den Bauernhof geschossen werden.
Letzter Teil der Niederlande befreit
Am 25. Mai kommen die ersten Kanadier auf der Insel an. Die Besatzer des Scholtenhuis können am 31. Mai abgeführt werden. Obwohl die deutschen Besatzungstruppen noch immer auf der Insel sind, feiern die Inselbewohner am 1. Juni ihr Befreiungsfest. Am 11. Juni ziehen 600 deutsche Soldaten per Schiff von der Insel ab und ist auch der letzte Teil der Niederlande befreit.