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Gemeinsam mit Den Helder war Texel bereits früh in den deutschen Angriff auf die Niederlande verwickelt, was mit der besonderen Lage der Insel im Wattenmeergebiet zu tun hatte. Direkt gegenüber von Den Helder an der Meerenge Marsdiep war Texel nämlich Teil der Verteidigungslinie Den Helder.
Die erste Bombardierung von Texel fand am 10. Juni 1940 statt. Zwei Messerschmitts griffen den Flughafen De Vlijt an. Später an diesem Tag folgte ein zweiter Angriff und auch am 11. Mai wurde der Flugplatz angegriffen. De Mok, ein Flugplatz für Wasserflugzeuge, musste am 11., 12., 13. und 14. Mai eine Reihe von Angriffen über sich ergehen lassen. Es gelang der Luftwaffe, viele niederländische Flugzeuge und Wasserflugzeuge unschädlich zu machen.
Texel verfügte während der Angriffe über eine Flugabwehr. Die niederländische Armee besetzte im Rahmen der Mobilmachung zwei Küstenbatterien. Insgesamt waren in diesen Tagen mehr als 1.500 niederländische Soldaten aller drei Streitkräfte - Heer, Marine und Luftwaffe - auf der Insel stationiert. Aber trotz des Abschusses einiger deutscher Flugzeuge konnte die niederländische Luftwaffe den Deutschen nicht die Faust zeigen. Den Helder und Texel waren da keine Ausnahme. Auch die Flugplätze De Kooy, Bergen, Valkenburg, Ypenburg und Ockenburg wurden von deutschen Angriffen überrascht und konnten nur wenige Flugzeuge einsetzen.
Am 14. Mai 1940 bombardierten die Deutschen den Marineflugplatz De Mok, von dem nur wenig übrig blieb.
Nach der Kapitulation der niederländischen Armee kamen die Deutschen am 19. Mai auf Texel an. Bei den ersten deutschen Truppen handelte es sich um Marine-Einheiten. Bald kamen Einheiten der Land- und Luftstreitkräfte hinzu. Die deutsche Armee übernahm die niederländischen Batterien und begann zügig mit dem Bau von Bunkern, die Teil des späteren Atlantikwalls wurden.
In den ersten beiden Kriegsjahren bauten die Deutschen sogenannte Küverbunker, Küstenverteidigungsbunker. Diese waren zwar dünnwandig aber splittersicher. Auf der Nordseite (Eierland) und der Südseite (De Hors) der Insel wurden Küstenbatterien errichtet. Bei De Mok und Den Helder stellten die Deutschen zwei Flugabwehrbatterien auf, um den Luftraum über Den Helder zu verteidigen.
Mit der Einführung des Programms für den Neuen Westwall und später den Atlantikwall rüstete die deutsche Armee die wichtigsten Positionen auf Texel, die Küstenbatterien und den Kommandoposten am Flugplatz, mit Betonbunkern aus, die viel stärker waren als die dünnwandigen Küverbunker. Bei Den Burg entstand ein wichtiger Kommunikationsbunker, der Texla-Bunker.
Männer der deutschen Luftwaffe posieren auf unschädlich gemachten Seeminen, die am Strand von Texel angespült worden sind.
Auf und um Texel wurden verschiedene alliierte Flugzeuge von der deutschen Flugabwehr und den deutschen Jägern abgeschossen. Die Jäger starteten von den Flugplätzen Leeuwarden und De Kooy bei Den Helder; die Flugabwehr feuerte von den Batterien auf Texel. Auf der Insel selbst stürzten neunzehn Maschinen ab. An verschiedenen Orten auf der Insel erinnern Gedenksteine an diese Abstürze. In der Nordsee und im Wattenmeer verschwanden durch deutsche Angriffe von Jägern etwa dreißig weitere Flugzeuge im Meer.
Auch vom Texeler Flugplatz De Vlijt aus begannen die berühmten Messerschmitts ihre Jagd auf alliierte Flugzeuge. Am 11. Mai 1940 schossen sie eine Fokker D-XVII in Brand. Am 21. Juni 1940 wurden zwei englische Flugzeuge auf dem Weg nach Den Helder von Texel aus abgeschossen. Die meisten Besatzungsmitglieder verloren dabei ihr Leben und wurden auf Texel begraben. Am 29. Juli machte eine englische Maschine eine Notlandung auf Texel, ganz in der Nähe des Bauernhofes De Witte Hoek, der von der Familie De Waard bewohnt wurde. Der Bordschütze kam dabei ums Leben. Der Pilot und Beobachter gerieten in Kriegsgefangenschaft. Insgesamt sind fünfzig Flugzeuge auf und bei Texel abgestürzt, erzählt Bram van Dijk.
Marineflugplatz De Mok
Der Marinehafen und die Flugplätze von Den Helder und Texel litten stark unter dem deutschen Angriff. Am 14. Mai sah der Kommandant von De Mok, dass die Situation unhaltbar war und beschloss, den Marineflugplatz zu sprengen. Die Soldaten wurden im Hotel De Lindeboom untergebracht. Dort schmiedete eine Reihe junger Piloten den Plan, nach England zu fliehen. Als Anführer suchten sie einen ‘knallharten Kerl’. Und fanden ihn in Koos Weber, geboren in Rotterdam und während der Mobilmachung auf den Flugplätzen De Kooy bei Den Helder bzw. De Mok auf Texel stationiert. Koos Weber nahm die Herausforderung an und nach einer abenteuerlichen Reise erreichten die Männer die englische Küste. In London setzten sie ihren Kampf gegen die Besatzer fort. Weber hat von England aus eine beeindruckende Anzahl von Flugstunden absolviert. Am 30. August 1941 wurde sein Flugzeug abgeschossen. Seine Leiche wurde nie gefunden.
Da Texel über einen Flugplatz verfügte, von dem aus die deutschen Jäger operieren konnten, wurde die Insel 215 Mal von alliierten Flugzeugen bombardiert. Die meisten Bomben stammten von Flugzeugen, die ihren Zielflug auf deutsche Städte frühzeitig abbrachen. Um doch als Einsatzflug in die Bücher einzugehen, wurde die Bombenladung über Texel abgeworfen, oft ohne klares Ziel. Am 29. März 1943 wurde der Flugplatz De Vlijt von der Luftwaffe außer Betrieb gesetzt.
Während der Kriegsjahre hatte Texel mit zahlreichen alliierten Bombardierungen zu kämpfen. Der Hof von Willem Johan Jacobszoon Boersen (1905-1976) wurde in der Nacht zum 3. Juli 1942 schwer beschädigt durch Bomben, die aller Wahrscheinlichkeit nach von einem englischen Flugzeug stammten.
Aufgrund seiner Lage an der Meerenge Marsdiep war Texel von großer strategischer Bedeutung für den Marinehafen Den Helder. Der Zugang zu Den Helder war von der Loodsmansduin und der Südbatterie aus leicht zu verteidigen. Das erklärt die Anwesenheit der vielen deutschen Truppen auf der Insel während der Kriegsjahre. Tagsüber profitierten die vorbeifahrenden deutschen Konvois oft von der relativen Sicherheit des Marsdiep.
Während des Vormarsches der deutschen Truppen in Russland wurden viele Kriegsgefangene gemacht. Sie landeten in Lagern, wo erbärmliche Bedingungen herrschten. Um diesem Elend zu entkommen, meldeten sich viele Russen freiwillig für den deutschen Dienst, als die deutsche Heeresleitung begann, Kriegsgefangene zu rekrutieren. So entstanden im Laufe des Krieges mehr als fünfzig ‘Ostbataillone’, die an der Westfront eingesetzt wurden und häufig Teile des Atlantikwalls bemannten.
‘Tag der Geburt’
Am 6. Februar 1945 löste ein 756 Mann starkes, georgisches Bataillon ein kaukasisches Bataillon auf Texel ab. Die Georgier waren zuvor in Zandvoort stationiert gewesen und durch ihre Kontakte im Widerstand recht gut über den Verlauf des Krieges informiert. Der Vormarsch der alliierten Truppen konnte für sie zwei Dinge bedeuten: Entweder sie würden an der Front im Osten der Niederlande eingesetzt werden oder sie müssten bei ihrer Rückkehr nach Russland Vergeltungsmaßnahmen wegen Verrats befürchten. Da keine der beiden Möglichkeiten verlockend war, wurden Pläne für einen Aufstand gegen die deutschen Truppen auf Texel geschmiedet, um am Ende mit einer sauberen Weste dazustehen. Ihre Operation ging als ‘Tag der Geburt’ in die Geschichtsbücher ein.
Georgier, die den Aufstand auf Texel überlebt hatten, warteten mit Resignation auf das, was kommen würde.
Am 5. April wurde der Bataillonskommandant der Georgier, Sjalwa Loladze, tatsächlich angewiesen, seine Truppen auf die Abreise an die Front im Osten der Niederlande vorzubereiten. Das war der Moment, auf den sie gewartet hatten. In der Nacht vom 5. auf den 6. April töteten die Georgier mehrere hundert Deutsche im Schlaf. Es war ein ebenso stiller wie grauenvoller Mord, durchgeführt mit Messern und Dolchen. Als die Georgier etwa zwei Drittel der Insel in ihrer Gewalt hatten, ertönten Schüsse und die Deutschen begannen eine Gegenoffensive.
Blutiger Kampf
Die Georgier hatten versucht, die Untergrundorganisation auf Texel in den Aufstand einzubeziehen, aber das Interesse war eher verhalten. Dennoch nahmen die Deutschen vierzehn zufällig ausgewählte Texeler Männer fest, von denen sie vermuteten, dass sie die Georgier unterstützten. Mit einem Lkw wurden sie zum Flugplatz De Mok gebracht. Vier der Männer konnten unterwegs entkommen, die anderen zehn wurden bei der Ankunft erschossen. In den darauf folgenden Tagen tobte ein blutiger Kampf auf Texel. Vor allem Poldereiland hatte es schwer, wie die lebendigen Erinnerungen bezeugen.
Der Georgische Aufstand kostete 117 Texeler das Leben
Langsam aber sicher gelang es den Deutschen, die Georgier zurückzudrängen. Die Gefangenen wurden sofort hingerichtet. Die Festung um den Leuchtturm bei Eierland hielt lange Zeit, aber auch dieser Bunker wurde am 20. April 1945 zurückerobert. Daraufhin brach eine Art Guerillakrieg aus, in dem viele Bauernhöfe in Brand gesteckt wurden. Den Burg, De Waal und De Koog wurden schwer beschädigt. Insgesamt verloren 117 Texeler durch diese Scharmützel ihr Leben, während es bis April 1945 fast keine Todesfälle in der Bevölkerung gegeben hatte. Theo Witte verlor während des Aufstands der Georgier seinen Bruder Henk, wie er hier erzählt.
Die Texeler erlebten die Folgen des Aufstands mit gemischten Gefühlen. Einige sahen die Rebellen als Helden, andere als Verräter und Attentäter. Übrigens war dieses georgische Bataillon das einzige Ostbataillon, dessen Mitglieder, die den Aufstand überlebt hatten, bei ihrer Rückkehr nach Russland nicht in die Straflager geschickt wurden.
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Am 20. Mai kam das 1. Kanadische Armeekorps auf Texel an. Am 21. Mai wurden die Deutschen nach Den Helder transportiert, von wo aus sie nach Wilhelmshaven aufbrachen. Die Insel stand unter Schock. So kurz vor der Befreiung endete der Krieg für 117 Texeler mit dem Tod. Wegen des Massakers wurde die Befreiung von Texel kaum gefeiert. ‘Von Feierlaune war hier nichts zu merken’, erzählen die Zeitzeugen.
Mehr als 600 Deutsche und 565 Georgier, die auf der Insel stationiert waren, überlebten den Krieg nicht. 467 Georgier wurden am Hoge Berg begraben. Dieser Friedhof wurde nach ihrem Kommandanten, Loladze, benannt. Das erste Denkmal für die Georgier, das am 15. Juni 1945 errichtet wurde, wurde bald darauf von Unbekannten verunstaltet. Die 236 Georgier, die den Aufstand überlebten, verließen die Insel am 17. Juni 1945 per Schiff von Oudeschild nach Wilhelmshaven.
Am 20. Mai 1945 kamen die Kanadier mit der Fähre ‘Dr. Wagemaker’ von TESO auf Texel an.
Mit über 500 Bauten, darunter drei Küstenbatterien und zwei Flakbatterien, war Texel ein starker Stützpunkt für die deutschen Besatzer.
Das Luftfahrt- und Kriegsmuseum hat verschiedene Routen entlang der Überreste des Atlantikwalls auf Texel abgesteckt. Darüber hinaus arbeitet das Museum daran, einige der Bunker wieder zugänglich zu machen, darunter den Beobachtungsposten der Südbatterie auf der Loodsmansduin an der Südspitze der Insel und eine Reihe von Bunkern in der Nähe des Museums selbst.
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